Themen und Referenten

Erlebens- und Verarbeitungsweisen bei Säuglingen und Kleinkindern in hochstrittigen Familien

Ute Ziegenhain

Prof. Dr. phil., Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie/
Psychotherapie,
Universitätsklinikum Ulm

Im Falle von Trennung und Scheidung sind immer auch die Bedürfnisse und die Interessen der Kinder berührt. Zunehmend mehr Kinder erleben, dass sich ihre Eltern trennen bzw. wachsen in Ein-Elternfamilien oder so genannten Patchwork-Familien auf. Dabei hat die Qualität der Beziehung zwischen getrennt lebenden Eltern sowie deren Kooperation bei der Betreuung und (Für-)Sorge für die Kinder maßgeblichen Einfluss auf ihre Beziehungsqualität zum Kind und auf dessen weitere Entwicklung (Walper, 2015). Als zentrales Konzept, um die mit Trennung und Scheidung verbundenen möglichen Belastungen aus der Perspektive der betroffenen Kinder einzuschätzen, lässt sich die ethologische Bindungstheorie heranziehen. Bindung lässt sich als psychobiologischer Mechanismus beschreiben, über den Emotionen und Stress in engen Beziehungen reguliert werden. Insbesondere Säuglinge und Kleinkinder sind darauf angewiesen, dass ihre Eltern sie bei der Regulation von negativen Emotionen und Verhalten verlässlich unterstützen. Bindungen sind jeweils exklusiv. Grundsätzlich liegt es im Interesse des Kindes dafür zu sorgen, dass sowohl die Bindung zur Mutter als auch die zum Vater als jeweils eigenständige Bindung erhalten bleibt bzw. Trennungen vermieden werden. Allerdings gibt es durchaus Konstellationen, in denen die gemeinsame Sorge und die Aufrechterhaltung der Bindungen mit beiden Eltern bzw. die Umgangsregelungen sorgfältig gegen die alleinige Sorge durch ein Elternteil abgewogen werden sollten. Hochstrittigkeit bzw. anhaltende Konflikte zwischen den Eltern gelten etwa als zentraler Risikofaktor, der sich negativ auf die Beziehung des Kindes zu den Eltern sowie auf seine Entwicklung auswirken kann. Zentrale beziehungsbezogene Annahmen werden auf die besondere Belastungssituation von Säuglingen und Kleinkindern mit hochstrittigen Eltern bezogen sowie Videobeispiele für überfordernde und ggf. entwicklungskritische Hinweise in der Eltern-Kind-Interaktion vorgestellt.


Aufwachsen in Hochkonfliktfamilien.
Was bedeutet das im Kindes- und Jugendalter?

Annette Streeck-Fischer

Prof. Dr. med., Kinder- und Jugendpsychiaterin, Ärztin für psychotherapeutische Medizin, Psychoanalytikerin, Hochschullehrerin, ist tätig an der International Psychoanalytic University Berlin gGmbH. Ihre Arbeitsgebiete sind Adoleszenz, Rechtsextremismus, Gewalt, Trauma, Misshandlung und Missbrauch







Studien zeigen, dass Belastungen im jungen Alter ausgeprägte Folgen für die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen haben können.
Beginnend mit zwei Falldarstellungen soll auf Besonderheiten in der Entwicklung von Kindern und Jugendlichen eingegangen werden, die hohen Belastungen durch ihre Eltern ausgesetzt sind. Dabei soll deutlich werden, dass jeweils unterschiedliche Belastungen jeweils auch andere Auswirkungen zur Folge können, etwa wie bei divergenten Erziehungs-vorstellungen, Scheidung oder aber Gewalt und Alkoholmissbrauch. Mitunter bekommt das Kind bzw. der Jugendliche im Konflikt der Eltern besondere Funktionen zugewiesen, die dann seine Entwicklung blockieren oder Traumatisierung zur Folge haben.Hochkonfliktfamilien.
Was bedeutet das im Kindes- und Jugendalter?

Hochkonfliktfamilien und Kinderschutz aus Sicht der Rechtspsychologie

Heinz Kindler

Dr., Dipl. Psych., leitet die Fachgruppe „Hilfen und Kinderschutz“ am Deutschen Jugendinstitut in München.

Ausgehend von der europaweiten Diskussion um das Wechselmodell auch bei zerstrittenen Eltern wird die Befundlage zu Sorge- und Kontaktregelungen unter Bedingungen von Hochkonflikthaftigkeit zusammengefasst. In einem zweiten Schritt werden Entwicklungen zur Diagnostik bei Hochstrittigkeit erörtert. Im Mittelpunkt steht dabei die Frage, ob und unter welchen Umständen in diesen Fällen eine Gefährdung des Kindeswohls bejaht werden sollte. Der Vortrag schließt mit einem Überblick über bislang bekannte Wirkungen familien- und kindbezogener Interventionsansätze.

Möglichkeiten und Grenzen des zivilrechtlichen Kindesschutzes bei Elternkonflikten

Peter Dörflinger

Lic. iur., Rechtsanwalt und
Präsident der KESB Appenzell
Ausserrhoden, Herisau

Der ivilrechtliche Kindesschutz wird in hohem Masse durch Elternkonflikte absorbiert. In 70% der in Vormundschaftsbehörden untersuchten Fällen lag keine direkte Gefährdung des Kindeswohls vor, sondern ein Konflikt unter Erwachsenen. Internationale Studien gehen bei rund 10 % aller Trennungsfälle von hochstrittigen Elternschaften aus. In der Praxis der Kindesschutzbehörden und bei den weiteren Akteuren im Kindesschutz gehören hochstrittige Elternkonflikte zu den anspruchsvollsten und aufwändigsten Fällen in der Beurteilung, Begleitung und Konfliktlösung. Das Instrumentarium des Schweizerischen Zivilgesetzbuchs (ZGB) beginnt bei Weisungen und endet bei behördlichen Unterbringungen oder dem Entzug der elterlichen Sorge. Als staatliche Behörde ist die KESB bei Eingriffen in die Eltern- und Kinderrechte gegen den Willen der Betroffenen an die Grundsätze der Subsidiariät und Verhältnismässigkeit gebunden. Nebst der Frage der angemessenen Massnahme/n ist zudem der Weg dahin (Abklärung, Begutachtung) und die Wechselwirkung von zivil- und allfälligen strafrechtlichen Verfahren auszuleuchten.